3. Tag – Unfall, Reparatur und Aufholjagd
Für das selbst organisierte Frühstück aus dem Supermarkt nebenan besorgten wir uns landestypische Ovomaltine-Produkte bis zum Abwinken. Heute sollten ja auch einige Höhenmeter absolviert werden.
Bei herrlichem Sonnenschein rollten wir uns locker auf der Brücke über den Züricher See ein. Nichts Böses ahnend, rollten wir hintereinander auf dem Radweg, der an der rechten Seite durch ein hohes Gitter zu den Bahngleisen hin begrenzt war. Für mich aus dem Nichts tauchte rechts plötzlich ein Rad auf. Ich konnte nur noch ein, zwei Meter nach links ziehen, dort stand dann aber auch schon die Leitplanke zur Fahrbahn hin. Ehe ich mich versah, krachten wir auch schon bei mäßiger Fahrt zusammen. Ich rappelte mich schnell wieder auf und durch die Gepäcktaschen hatte mein Körper kaum schmerzhaften Kontakt mit Rad oder Straße bekommen. Ich war ziemlich erstaunt, denn eine ältere, schon ergraute Dame ist mir reingefahren. Die Arme war durch den Schock ziemlich aufgeregt und plapperte in einer Tour im schönsten Schweizer Dialekt. Mein Mitfahrer musste ihr drei Pflaster übereinander auf eine blutende Wunde an der Hand kleben und dann war sie schon viel ruhiger. Wir einigten uns, dass wir beide nicht richtig aufgepasst haben. Sie kam aus einem Radweg, der von rechts in den unseren mündete und von mir durch das Gitter nur sehr schwer zu sehen war. Noch erstaunter war ich aber, als ich bei der Dame in dem Fahrrad ein MBK „Biarritz“ im schönsten, damals peppigen 90-er Jahre-violett erkannte. Genau das Modell besaß ich früher auch (nur in der Ausfertigung als Herrenrad)!!! Welche Wahrscheinlichkeit besteht denn dafür? War da etwas Höheres im Spiel? Die Dame versicherte mir, dass das Rad sehr zuverlässig sei, was ich nur bestätigen konnte und wir verabschieden und freundlich. Nun betrachtete ich erst mein Rad näher. Es schien erst mal nichts abbekommen zu haben, nur die Vorderbremse schliff an der Felge. Ich untersuchte das noch weiter und fand heraus, dass die Gabel deutlich verbogen war. So konnte ich nicht weiter fahren! Wir fuhren vorsichtig zurück nach Rapperswil und suchten einen Fahrradladen, den wir relativ schnell fanden. Nach etwas gutem Zureden (wir sind auf der Durchreise nach Italien...) war der Meister bereit, die Reparatur meines Rades in seinem Plan nach vorn zu schieben. Wir vertraten uns die Füße in der schönen Altstadt von Rapperswil mit herrlichem Blick über den See. Nebenbei verdienten wir uns durch die Teilnahme an einer Umfrage unter Touristen noch eine Tafel Schweizer Schokolade, sehr lecker!!! Ca. 3 Stunden später und um ca. 80 € erleichtert und nicht zuletzt dank des Materials Stahl war die Gabel wieder gerichtet und unsere Fahrt konnte weiter gehen. Der Tag war nun schon ziemlich fortgeschritten und wir mussten uns sputen, wenn wir unser geplantes Tagespensum noch schaffen wollten. Doch zunächst wartete am Südufer der Züricher Sees mit dem Anstieg zum Etzelsberg (
http://www.quaeldich.de/paesse/etzelpass/) ein echter Scharfrichter auf uns und den sollte man nicht zu überhastet angehen.
Schon der Einstieg in Pfäffikon muss im zweistelligen Prozentbereich absolviert werden. Im Mittelstück wartet dann ein richtiger Hammer: die Steigung muss irgendwo über 18% liegen, in der Straßenkarte war nur „>20%“ eingezeichnet. An dieser Stelle war ich jedenfalls heilfroh, zu Hause noch einen neuen Ritzelblock mit 28 Zähnen montiert zu haben, der mir in Verbindung mit der Dreifach-Kurbel sogar eine leichte Untersetzung ermöglichte. Und so konnte ich mich so richtig schön hochquälen. Nach diesem Hammer kommt man auf einer Weide mit milder Steigung und mit herrlichem Blick über den Züricher See an, wo wir nach Luft japsen und uns den Schweiß aus dem Gesicht wischen. Aber noch sind wir nicht oben: Die Straße verschwindet gnädigerweise im schattigen Wald und ein Stück weiter zieht das letzte Stück wieder heftig an. Hier oben findet man eine Kapelle und hat einen herrlichen Blick Richtung Alpen-Haupt-Kamm. Wir hügeln uns erst mal auf etwa gleicher Höhe weiter und kommen an der (vermutlichen) Geburtsstätte des Paracelsus vorbei (für mich eine Überraschung und für jeden Naturwissenschaftler ein Höhepunkt!). Etwas später tut sich ein weiter Blick über den Sihlsee auf. In Biberbrugg fahren wir auf die Hauptstraße Richtung Schwyz, die durch den Verkehr leidlich befahrbar ist. Ab Rothenturm geht es bis zum Vierwaldstätter See fast nur bergab und so stören die KfZ nicht sonderlich. In Brunnen am Viewaldstätter See genießen wir am Seeufer, umrahmt von Bergen, die Atmosphäre: Strahlend blauer Himmel, über den See fährt ein Schaufelrad-Dampfer, am Ufer gegenüber soll der Rütli-Schwur geleistet worden sein – Schweizerischer geht es nicht mehr!
Nach einer kurzen Rast gehen wir das nächste Teilstück an. Am Ufer des Vierwaldstätter Sees soll es gen Süden nach Flüelen rollen. An der Straße, die stark befahren ist, steht ein Schild, das Radfahrer vor Gefahren warnt und man solle doch lieber ein Schiff benutzen. Nun, wir haben keine alternative Strecke und keine Lust auf eine (sicherlich kostenintensive) Dampferfahrt und probieren es einfach mal weiterzufahren. Und ehrlich gesagt, war die Warnung etwas überzogen. In den etlichen Tunneln gibt es entweder am Rande einen separaten Rad- bzw. Fußweg, den man bequem benutzen konnte, oder man wurde, auf einem wahrscheinlich früheren Straßenverlauf, um den Tunnel herumgeführt.
Die letzte Teilstrecke des Tages verläuft im Tal der Reuss und so weit bergan wie möglich wollen wir heute noch kommen. In dem Ort Altorf kommen wir in einen Feierabend-Stau, etwas, was man hier nicht gerade erwartet. Von hier an geht es dann stetig, aber gemäßigt bergan. Der Verkehr lässt nach und so klettern wir noch etliche Höhenmeter in der Abendstimmung. Die Dämmerung hat sich schon breit gemacht, ehe wir in Wassen, dem geplanten Tagesziel, in einem urigen Hotel Einzug halten. Die Fahrräder können die Nacht im Waschhaus im Hinterhof verstaut werden und wir probieren im Gastraum die lokale warme Küche.
Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=kkrcbvxkxyzfzpoj